Deutsche Apothekerzeitung 142. Jahrgang 25.04.2002 Nr. 17
Der Neuropsychologe Reinhard Werth vom Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der LMU München hat ein Lernprogramm gegen Legasthenie entwickelt. Am Computer können Schulkinder, die von einer Leseschwäche betroffen sind, individuell therapiert werden. Ursprünglich behandelte Werth mit der Methode der Gesichtsfeldbestimmung Kinder, die aufgrund von Hirnstörungen Probleme beim Sehen hatten.
Lesen ist ein komplexer Vorgang, bei dem verschiedene Leistungen vom Gehirn erbracht werden müssen: die Fixierung eines Wortteils, das Erkennen von Buchstaben, Worten und Wortsegmenten sowie der Blicksprung zum nächsten Wortteil. Bei all diesen Vorgängen kann es zu Fehlern einer Hirnfunktion kommen, die dann zu Leseschwächen, der so genannten Legasthenie, führen. Mit Hilfe von verschiedenen Leseübungen und viel Training gelingt es zwar in der Regel die Schwäche zu kompensieren, leicht fällt dies den betroffenen Kindern jedoch nicht. Vielleicht kann der Computer ihnen künftig beim Lesenlemen Unterstützung bieten. Das von Werth entwickelte Lernprogramm wurde so konzipiert, dass damit alle möglichen Phänomene behandelt werden können. Mit dem computergestützten Lern- und Diagnoseprogramm erforscht der Neuropsychologe zuerst den individuellen Grund für die Leseschwäche eines Kindes.
Wenn „Donnerstag“ zu „Donntag“ wird Das Programm kann Buchstaben, Wortsegmente und ganze Worte so darstellen, dass die Ursache einer Lesestörung erkennbar wird. Der Cursor zeigt den Kindern an, wo oder was sie gerade lesen sollen. Eine häufige Ursache für Legasthenie sind z. B. zu große Blicksprünge über zehn Buchstaben hinweg, so Werth. Dabei macht der Leser mit den Augen einen großen Satz zum nächsten Wortsegment und kann dadurch manche Buchstaben nicht mehr sehen. „Er liest zum Beispiel statt Donnerstag nur Donntag“, erklärt der Neuropsychologe. Mit dem Programm könne diese Störung abtrainiert werden, indem der zu lesende Text farbig markiert wird und die rechts folgenden Wortsegmente nur schwach zu sehen sind. Mit der Zeit wird der Kontrast rechts dann verstärkt, das Wortsegment wird immer besser lesbar. „Die Wirkung des Lernprogramms ist unterschiedlich“, so Werth. In schwierigen Fällen bräuchten die Kinder ein halbes Jahr, bis sich eine positive Wirkung einstellt. Manchen genüge aber auch schon eine halbe Stunde.